Studien mit Wildtieren, die zum Beispiel einen Funksender am Halsband tragen um so deren Aktivitäten zu verfolgen und aufzuzeichnen haben Hochkonjunktur. Aber Vorsicht: So harmlos, wie diese Feldforschung oft daher kommt, ist sie für die betroffenen Tiere keineswegs!
Um Wildtiere mit Halsbandsendern ausrüsten zu können, müssen sie im Regelfall gefangen und immobilisiert werden. Dies erfolgt meist durch die Anwendung von diversen Medikamenten, die mit Hilfe einer „fliegenden Spritze“ in die Tiere injiziert werden und mit Hilfe derer eine Narkose der Wildtiere herbeigeführt werden soll. Vor allem die Narkose von Wiederkäuern ist aufgrund einer ganzen Reihe von Faktoren ein riskanter Vorgang. Selbst bei Zootieren, bei denen in der Regel günstigere Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für die Durchführung von chemischen Immobilisationen vorliegen, als bei freilebenden Wildtieren, kommt es immer wieder zu gefährlichen Narkosezwischenfällen.
Zu den grundsätzlichen Risikofaktoren besonders bei Vollnarkosen von Wiederkäuern gehören z. B. lebensgefährliche Blähungen des Pansens, oder Angriffe von Artgenossen oder Raben auf die betäubten Tiere.
„Leider sind die Risiken und Spielregeln bei Tierversuchen in der freien Natur oft nicht bekannt – oder werden schlicht ignoriert!“ empört sich Dr. Christine Miller, Vorsitzende von Wildes Bayern e.V.. „Die Narkose von Wildtieren birgt enorme Gefahren für das Tier. Und auch das Halsband des Senders kann es verletzen, behindern oder gar zum langsamen, qualvollen Tod führen, wenn da geschlampt wird. Bei einem Tierversuch im Landkreis Bad Tölz gerieten vor Jahren etliche Hirsche mit dem Lauf in das Halsband und litten wochenlang bevor sie bemerkt und von einem Jäger erlöst werden konnten.“
Seit Jahren kämpfen die Wildtierschützer von Wildes Bayern daher dafür, dass die eigentlich im Gesetz vorgesehenen Regeln beachtet werden. In vielen Gesprächen und Diskussionen mit Fachleuten aus verschiedenen Ländern und Forschungsinstitutionen haben sie für das Thema sensibilisiert und bei etlichen Kollegen auch zu einem Umdenken geführt.
„In Italien veröffentlichten schon vor Jahren Fachtierärzte und Forscher Bücher und Artikel, wie bei verschiedenen Wildtierarten eine schonende Narkose ausgeführt werden kann. Zur gleichen Zeit wurden in Deutschland noch Kurse veranstaltet, in denen Forstingenieure und Jäger quasi im Hauruck-Verfahren „lernten“, wie sie große Wildtiere narkotisieren können“, so Dr. Miller. „Wenn es schiefgeht, dann stirbt das Tier eben, es ist ja eh jagdbar, versuchte mir ein ansonsten renommierten Kollege zu erklären.“ Auch wollten einige Forstbetriebe partout nicht einsehen, dass das Behängen von Wildtieren mit klobigen Senderhalsbändern und die Verabreichung von Medikamenten erst als Tierversuch beantragt und genehmigt werden muss.
Die Narkose von Wildtieren ist ein Eingriff, für die man einen guten Grund braucht, so die rechtliche Regelung. Eine wissenschaftliche Studie ist so ein guter Grund. Dr. Miller erläutert: „Aber nur ein paar Hirschen einen Sender umzuhängen, und dann zu schauen wo Hansi hinläuft, ist eben keine Wissenschaft. Leider sind viele sogenannte Wildtierforschungsprojekte bei uns, nur Pseudoforschung. Sie genügen nicht den fachlichen Standards für eine wissenschaftliche Arbeit. Zwei der Knackpunkte dabei sind die Stichprobengröße und die wissenschaftliche Fragestellung. Wo diese fehlt und weniger als 10 Tiere pro Gebiet besendert werden, kann man schon davon ausgehen, dass so eine „Studie“ oft gar nicht genehmigungsfähig wäre!“
Seit kurzem nun ist die Situation deutlich klarer. Mit Schweizer Gründlichkeit haben die Bundesämter für Veterinärwesen und Umwelt die Rechtsgrundlagen angepasst und in einem detaillierten Leitfaden („Vollzugshilfe“) dargelegt. In Deutschland hat nun der Arbeitskreis Wildtiere der Tierärztlichen Vereinigung Tierschutz (TVT) die Spielregeln zusammengefasst und erläutert. Vor allem die Genehmigungsbehörden haben jetzt eine aktuelle praxisgerechte Entscheidungshilfe an der Hand. Und die Narkose ohne Mitwirkung eines entsprechend ausgebildeten Fachtierarztes ist in Zukunft nicht genehmigungsfähig.
Die Wildtierschützer von Wildes Bayern freuen sich darüber besonders. Denn beharrliche Arbeit hinter den Kulissen zeigt so Erfolge. „Es geht uns nicht darum, gute Forschungsvorhaben an Wildtieren zu behindern, aber bis jetzt hatten Rotwild, Rehe, Wildschweine oder Gams weniger Schutz und Aufmerksamkeit als Labormäuse. Mit dem neuen Merkblatt der TVT ist ein Stück Rechtssicherheit auch für Wildtiere entstanden“, freut sich Christine Miller.
Weitere Infos über die Arbeit vom Verein Wildes Bayern e.V. findet Ihr unter wildes-Bayern.de
Quelle: Wildes Bayern