War der Ötzi nun in Bayern oder nicht? „Der Auhögl in Ainring“ – eine Steinzeitsiedlung im Berchtesgadener Land, in der man viele wertvolle Kulturfunde machte, wird immer wieder mit dem Steinzeitmenschen in Verbindung gebracht. Mehrere besondere Funde aus dem Chiemgau spielen dabei eine große Rolle, so auch eine Pfeilspitze, die in Ainring im Berchtesgadener Land gefunden wurde.
In der Steinzeitsiedlung am Auhögl nahe Ainring im Berchtesgadener Land wurden jede Menge Fundstücke gefunden, so auch eine Vielzahl an Keramikresten der bayerischen Altheimer Kultur (3800-3400 v. Chr.) und der oberösterreichischen Mondsee-Kultur (3800-3300 v. Chr.). Auch ein Beil aus Arsenkupfer war unter den Funden. Mit ziemlicher Sicherheit gehen die Experten davon aus, dass die Siedlung etwas mit dem Kupferhandel am Alpenrand zu tun hatte.
Vergleichbar mit der Goldgräberstadt Dawson City am Zusammenfluss des Klondike mit dem Yukon River in Kanada. Wobei es in Ainring vor 5500 Jahren nicht um Gold, sondern eher um Kupfer ging, das in der Steinzeit erheblich wertvoller war.
Alexander Binsteiner, gebürtiger Wasserburger und früherer Chefgeologe im Eismannprojekt an der Universität Innsbruck hat die Spurensuche in seinem Buch „Menschen, Steine und Geschichte(n)“, das vor rund einem Jahr im Oberpfälzer Bogner Verlag erschienen ist, bereits ausgiebig erläutert: „Die aktuellen Ergebnisse zeigen ohne Zweifel, dass die Kombination, der an verschiedenen Fundorten der Altheimer Kultur in Bayern gefundenen Artefakte exakt der Ausrüstung entspricht, die der Ötzi bei sich hatte, als er am Tisenjoch in den Ötztaler Alpen ermordet wurde.
Dazu gehören ein Kupferbeil, ein Feuersteindolch, zwei Pfeile und drei Feuersteinklingen, die er in einer Gürteltasche trug“, so der Geologe. Ergänzend dazu wurden am Altheimer Erdwerk bei Landshut zum Beispiel eine gelochte Marmorscheibe gefunden, eine Art Hühnergalgen zur Befestigung von erlegtem Kleinwild am Gürtel. „Damit wäre das typische Ausrüstungsset der Ötzi-Ära am Ende des vierten vorchristlichen Jahrtausends komplett“, so Alexander Binsteiner.
Weitere Befunde an der Mumie und Ausrüstung zeigen, dass der Mann im Eis zu Lebzeiten eine besondere Stellung in seiner Gemeinschaft eingenommen haben muss. Die Oberbekleidung war aus verschiedenfarbigen Fellstreifen genäht und er trug eine Bärenfellmütze, alles Hinweise so der Geologe, dass er einer bestimmten Elite angehört haben muss. Noch immer ist aber die Frage offen, warum er so weit gekommen ist.
Eine Vermutung ist, dass Ötzi die reichen Kupfervorkommen in Nordtirol und im Salzburger Land als Ziel gehabt haben könnte, auch wenn das Kupferbeil, dass bei ihm gefunden wurde aus der Toskana stammen soll. „Das Kupferbeil mit aufgehämmerten Randleisten, dass in Grabenstätt am Chiemsee gefunden wurde, entstammt eindeutig der norditalienschen Remedello-Kultur. Nur dort wurden in der Ötzi-Ära Beile dieser Art hergestellt“, so Alexander Binsteiner.
Schaut man sich die Ausrüstung an, dann sind sich die Spezialisten einig, dass er vor seinem Tod seit Längerem unterwegs gewesen sein muss, da Ausrüstung, Bekleidung und die Waffen des Gletschermannes abgenützt und schadhaft waren. „Die Spitze seines Feuersteindolches war gebrochen und konnte nicht erneuert werden. Außerdem hatte er nur noch zwei abschussbereite Pfeile in seinem Köcher. Dem Rest der Pfeilschäfte fehlte die Feuersteinspitze. Das lässt darauf schließen, dass er in den Bergen vom Nachschub mit Rohfeuerstein abgeschnitten war“, so der Geologe.
Bekanntermaßen kamen die Zeitgenossen des Ötzi bis zum Mondsee und unterhielten regelmäßige Beziehungen zur Mondseekultur. Das beweisen Feuersteinklingen und -geräte aus den Lessinischen Bergen (Monti Lessini) nördlich von Verona, die in den Pfahlbauten von See am Mondsee gefunden wurden. Von Oberösterreich und das Salzburger Land über den Chiemgau und Niederbayern bis an den Bodensee und die Schweizer Seen finden sich immer mehr Spuren der oberitalischen Händler der Ötzi-Ära des vierten vorchristlichen Jahrtausends.
„Ein Kupferbeil, dass fast identisch mit dem des Ötzi ist und in Grabenstätt am Chiemsee gefunden wurde sowie eine Lessinische Feuersteinpfeilspitze, die in Ainring im Berchtesgadnener Land gefunden wurde, beweisen die intensiven Kontakte ins Nördliche Alpenvorland. Die Feuersteinspitze hat eine Länge von 2,8 cm hat und ist in ihrer Machart mit einem sogenannten Schäftungsdorn identisch, also mit dem Projektil, dass in Ötzis linker Schulter steckt. Mit diesem Fund ist die Herkunft des Täters, der den tödlichen Schuss auf den Gletschermann abgegeben hat, wieder völlig offen. Er muss damit nicht zwangsläufig aus dem Süden stammen, wie das bisher allgemein angenommen wurde“, so Alexander Binsteiner.
Alexander Binsteiner, 63, war unter Konrad Spindler leitender Geologe im Eismann-Projekt an der Universität Innsbruck. Er untersuchte Ötzis Feuersteingeräte. Heute lebt er als Geoarchäologe und Autor im Ruhestand im Böhmischen Hochland an der Grenze zu Niederösterreich. Weitere Infos über Alexander Binsteiner findet Ihr unter alexander-binsteiner.de, Wikipedia und auf seiner Facebook-Seite