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Rund 100 Leute arbeiten im Nationalpark. Auch viele Studenten sind darunter, die ein Praktikum absolvieren. So wie Marlene und ihre Kollegen aus dem Adlerteam

Bewaffnet mit einem Fernglas und Walkie-Talkie stehen sie vor mir. Florina und Marlene aus dem Adlerteam. Marlene studiert im 6. Semester Geografie mit Schwerpunkt Biologie in Heidelberg. Florina studiert Geographie mit physischem Schwerpunkt in Berlin.

Für das Praktikum im Nationalpark haben sie sich beworben, weil sie ausprobieren wollen, in welche Richtung sie sich spezialisieren wollen und weil sie gerne draußen sind. Gewohnt wird in einer WG, die der Nationalpark zur Verfügung stellt, genau wie einen Praktikumssold.

BGLand24.de wollte wissen, was sie in ihrem Praktikum alle erleben und machen und hat das Team beim Adlermonitoring begleitet

Warum habt Ihr Euch für das Adlerteam beworben?
Marlene (21): Ich habe mich für das Adlerteam beworben, weil ich gerne einen Beruf ausüben möchte, bei dem ich viel draußen sein kann.
Florina (24): Dito. Naturschutz, Draußensein… hier wird die Berufung zum Beruf!

Wie lange habt Ihr noch bis zum Abschluss?
Marlene: Theoretisch ist das jetzt mein letztes Semester, ich bin aktuell im sechsten Semester. Aber ich denke es werden auf jeden Fall sieben Semester, denn ich möchte noch jede Menge Praktika machen und in alles Mögliche hineinschnuppern.
Florina: Die Bachelor-Arbeit steht direkt bevor. Ich möchte ein Thema aus dem Nationalpark behandeln.

Was sind Eure Aufgaben?
Hauptsächlich draußen die Tiere beobachten. Es kommt natürlich immer auf die Jahreszeit an, was genau gemacht werden muss. Da sind die Horstsuche und die Balzzeit, dann die Brutzeit, das Verhalten der Vögel wenn Jungtiere da sind, das ist alles sehr vielfältig. Wir halten beispielsweise fest, ob die ob die Adlerpärchen in den einzelnen Revieren noch zusammen sind,oder ob durch einen Todesfall ein neuer Partner irgendwo dazugekommen ist.
Das muss alles dokumentiert werden und dann sind wir noch für die Führungen verantwortlich und als Ansprechpartner für die Gäste im Park zuständig.

Wie erkennt man Euch?
Im Sommer an unseren T-Shirts mit dem Hinweis auf das Adlerteam. Aber jetzt im Winter tragen wir natürlich eine dicke Jacke darüber.

Was wollt Ihr dann später machen?
Beide: Das ist alles noch ziemlich in der Findungsphase. Auf jeden Fall draußen arbeiten und nicht den ganzen Tag im Büro sitzen.

In welchen Berufen kommt man unter?
Die Möglichkeiten sind sehr vielfältig und manchmal muss man sich einen Arbeitsplatz auch ein wenig schaffen. Viele Möglichkeiten gibt es rund um das Thema Umweltschutz. Zum Beispiel rund um die Geografie, Bodenkunde, Biologie, etc., odernatürlich auch als Ranger im Nationalpark.

Was habt Ihr alles schon erlebt?
Jeder Tag ist ein Abenteuer – wir erleben unglaublich viel und Vielfältiges. Mal stehen wir stundenlang in einem Tal und schauen in den Himmel, wenn wir Glück haben können wir Luftkämpfe und Horstanflüge beobachten.Mal lernen wir dann einen Berufsjäger kennen und fahren mal eben über den Königssee um die Fauna auf St. Bartholomä zu erkunden.

Wie reagieren die Leute auf Euch, wenn Ihr sie ansprecht und zum Beispiel Hundebesitzer auf das Thema Leinenpflicht ansprecht?
Je nach Situation unterschiedlich. Auf das Leinen-Thema reagieren einige pampig, viele einsichtig. Ansonsten sind fast alle freundlich, aufgeschlossen und fragen von sich aus weiter nach, möchten durchs Fernglas schauen oder Tipps für Wanderungen bekommen.

Dabei geht es ja bei der Leinenpflicht nicht nur darum, dass die Hunde nicht jagen, sondern auch gejagt werden?
Genau, die Leinenpflicht dient auch dem Schutz der Hunde selber. Ein Hund, der 30, 40m oder noch weiter entfernt von seinem Besitzer läuft ist für einen Adler genauso ein Beutetier wie jedes andere.

Das heißt ein Adler würde sich auch auf einen Hund stürzen?
Das kommt schon mal vor, ja. Es gibt auch den ein oder anderen Jäger, der seinen Dackel nicht wiedergesehen hat und wo vermutet wird, dass dieser einem Adler zum Opfer gefallen ist.

Und was passiert dann?
Er fliegt auf ihn zu, attackiert ihn, so dass er sich möglichst nicht wehren kann und wenn er nicht zu schwer ist, dann kann er ihn auch mitnehmen. Ansonsten zerlegt er ihn in der Regel an Ort und Stelle, wie jedes andere Beutetier auch. Ein Weibchen wiegt in der Regel zwischen 5-5,5 Kilo und wenn das Tier nicht wesentlich schwerer als der Adler ist, dann kann dieser es wegtransportieren.

Und größere Tiere?
Adler gehen auch mal auf Gämsen, aber das funktioniert nur, wenn sie an einem Hang stehen. Dann kann der Adler sie greifen: Eine Gams ist jedoch in der Regel zu schwer und wird fallen gelassen. Stürzt sie dabei tödlich, dient sie anschließend an Ort und Stelle als Beute.

Muss ich mir jetzt Sorgen um meine Hunde machen im Nationalpark?
Nein – darum bitten wir, Hunde anzuleinen. Aber die Mongolen setzen zum Beispiel immer noch Steinadler zur Wolfsjagd ein. Das macht einem bewusst, welche Kraft solch ein Vogel zu mobilisieren vermag.

Der Nationalpark Berchtesgaden feiert 2018 seinen 40. Geburtstag. Er gilt als Refugium für viele bedrohte oder gefährdete Tierarten. Das Team vom Nationalpark beobachtet diese und informiert. Seit einigen Jahren betreibt der Nationalpark auch ein intensives Steinadlermonitoring. Insgesamt 16 Paare fallen in das Beobachtungsgebiet vom Adlerteam, alleine fünf Paare leben im Nationalpark Berchtesgaden. Etwa 95 Horste sind bekannt – allerdings gehören diese Horste nicht rund 100 verschiedenen Adlerpaaren, sondern oftmals 10 Horste einem einzigen Paar.

In der Regel wählen die Adlerpaare jedes Jahr einen anderen Horst. Einerseits aufgrund besserer Jagdbedingungen, weil sich die Beutetiere erst einmal wieder darauf einstellen müssen, dass sie in ihrem Lebensraum bejagt werden und andererseits, damit die Horste sich wieder von einem eventuellen Parasitenbefall durch die Aasverfütterung automatisch – durch fehlende Nahrung – quasi selbst reinigen.

Steinadler - mit dem Handy durch das Fernrohr fotografiert

Steinadler – mit dem Handy durch das Fernrohr fotografiert

Für BGLand24.de haben wir Dr. Ulrich Brendel, den Stellvertretenden Leiter vom Nationalpark Berchtesgaden zum Thema „Steinadler im Nationalpark Berchtesgaden“ zum Interview getroffen. Ein ganz wichtiges Anliegen beim Steinadlermonitoring ist die Einhaltung der Flugverbotszonen seitens der Gleitschirmflieger.

Gleitschirmflieger aufgepasst – so bitte nicht!

So schön die Adler anzuschauen sind, so aufwendig betreibt das Adlerteam auch sein Monitoring, um die brütenden Adler zu schützen. Gefährdet sind diese zum Beispiel durch Gleitschirmflieger oder Hubschrauberpiloten, die zu nah heranfliegen.

„Ich habe dem Steinadler direkt in die Augen geschaut, der hatte jede Menge Spaß neben mir in der Thermik“, berichtet Uli Brendel von einem Gleitschirmpiloten, der nach einem Flug am Jenner begeistert davon geschwärmt hat, Auge in Auge, sowie auf und ab durch die Thermik mit dem Adler zu fliegen. „Das war allerdings in Wirklichkeit überhaupt kein Spaß, sondern der sogenannte Girlandenflug, mit dem der Adler signalisiert, dass man in sein Revier eingedrungen ist“.

Nationalpark Steinadler (c) HJ Fünfstück - piclease_

Nationalpark Steinadler (c) HJ Fünfstück – piclease_

Flugverbotszonen rund um die Horste

Damit die Piloten wissen, welche Gebiete gemieden werden sollen, erstellt das Adlerteam unter der Leitung von Jochen Grab und Uli Brendel, stellvertretender Leiter im Nationalpark Berchtesgaden jedes Jahr Karten, auf denen die Horste gekennzeichnet sind, die von den Adlern angeflogen werden.  Außerdem werden regelmäßig Meldungen an die Vogelschutzwarte in Garmisch und an das  Flugamt Süd gemacht. Und auch die Gleitschirmflieger haben eine sogenannte Informationspflicht. Für sie gehört das Thema Naturschutz mittlerweile zu den Prüfungsfächern. Dazu gehört, sich vor dem Flug zu erkundigen ob in dem Gebiet zum Beispiel Adlerhorste zu finden sind und woran man erkennt, dass sich ein Adler bedroht fühlt.

So ist zum Beispiel der sogenannte Girlandenflug, in dem die Adler sich wie eine Girlande auf und ab bewegen, kein Zeichen für jede Menge Spaß in der Thermik, sondern eine Warnung an den Piloten, dass er sich zu nah am Horst befindet. Der Adler kann dem Hubschrauber zwar keinen Schaden zufügen, allerdings sorgt ein achtloses Verhalten für jede Menge unnötigen Stress beim Tier. Außerdem kann es für einen rücksichtslosen Gleitschirmpiloten schon mal riskanter werden, nämlich dann, wenn der Adler den Gleitschirm angreifen würde. Auch wenn das eher selten der Fall ist.

Rund 100 Adlerhorste im gesamten Gebiet

Insgesamt rund 100 Adlerhorste gibt es Gebiet. Zumeist jedes Jahr wählen die Adler einen anderen für die Brutzeit. Kristallisieren sich die bevorzugten Bereiche heraus, dann werden die sich dort befindlichen Thermikbereiche gesperrt, damit Gleitschirm- und Drachenflieger sowie Hubschrauberpiloten diese Bereiche meiden. Erkennbar sind diese Schutzzonen auf einer Karte, die der Nationalpark regelmäßig aktualisiert. Außerdem werden diese Angaben an die Flugsicherungsbehörden gemeldet.

„Mittlerweile halten sich die Hubschrauberpiloten recht gut an diese Verbotszonen. Allerdings müssen sie auch mit empfindlichen Strafen wie dem Entzug der Fluglizenz für ein bestimmtes Gebiet rechnen, wenn die Verbotszonen ignoriert werden.

Lediglich Hubschrauber der Bergrettung sind von dem Flugverbot ausgenommen. „Hier steht die Rettung eines Menschenlebens klar vor dem Einhalten der Flugverbotszone“, so der Chef vom Adlerteam. Für BGLand24.de waren wir vor Ort und wollten wissen, ob diese Verbotszonen eingehalten werden.

Interview mit Dr. Ulrich Brendel, Stellvertretender Leiter Nationalpark Berchtesgaden

Woher wissen die Gleitschirmflieger welche Bereiche gesperrt sind?
Wir markieren die Horste auf einer Karte mit Punkten. Sind die Punkte grün, ist das Gebiet aus Sicht der Adler offen, sind sie rot, dann ist hier eine Flugverbotszone. Das kann sich täglich ändern.

Wie groß ist so eine Flugverbotszone?
Der Bereich hat für Gleitschirm- und Drachenflieger einen Durchmesser von circa 1 km, also einen Radius von rund 500 m rund um den Horst. Für Hubschrauber gilt ein etwas größerer sensibler Bereich, nämlich ein Radius von 1.000 Metern.

Werden die Verbotszonen eingehalten?
Wir arbeiten sehr eng mit den  Vereinen vor Ort zusammen und seit dem wir alles dokumentieren, hatten wir keinen einzigen Fall bei dem eine menschliche Störung schuld an einem Brutabbruch gewesen ist. Das gab es früher sehr häufig. Früher lag der Bruterfolg in Bayern bei circa 0,18. Da brütete also weniger wie jedes 5. Paar erfolgreich. Inzwischen ist dieser Wert angestiegen auf  0,3 in unserem Gebiet, also jedes dritte Paar brütet inzwischen wieder erfolgreich.

Das ist eine gute Entwicklung, zumal wir hier eher in einem suboptimalen Bereich leben. Hier gibt es viele Faktoren, die unseren Lebensraum einschränken und im Gegensatz zu den Zentralalpen schlechtere Bedingungen bieten. Zum Beispiel was die Beutetiererreichbarkeit, , die Thermik, die Aufwindverhältnisse, oder die Witterung insgesamt angeht.  In den Zentralalpen hat man in vielen Bereichen einen Bruterfolg von rund 0,5, wo also jedes zweite Paar erfolgreich brütet. Der sogenannte „Überschuss“, der dort produziert wird, füllt bei uns am Rand der Population eventuelle Lücken auf.

Wie kann man kontrollieren, ob sich an die Verbotszonen gehalten wird?
Das funktioniert recht gut, vor allem über soziale Kontakte. In der Regel müssen wir eigentlich niemanden direkt anzeigen. Wir notieren Uhrzeit, Schirmfarbe, Anzugfarbe und schicken es an die Chefs der Gleitschirmfliegervereine,  die wissen dann meist schon wer das war und holen sich ihn dann. Bei den Hubschraubern läuft das ein wenig anders. Die bekommen über die Vogelschutzwarte in Garmisch und das Flugamt Süd die Koordinaten, die sie in ihr GPS eintragen müssen.

Hubschrauber sind natürlich schwieriger einzuschätzen wie ein Gleitschirmflieger. Dabei  kommt es immer darauf an, wie häufig sind sie im Revier. Und an diese gewöhnen sich die Adler auch leichter. Wir haben zum Beispiel auch einen Horst, der ganz in der Nähe eines Wanderweges ist, was viele Leute gar nicht wissen. Hier lassen sich die Tiere von den Bergsportlern nicht stören, weil sie wissen, dass die Menschen nicht zu ihnen hinauf kommen. Schwierig sind Störungen eigentlich eher dann, wenn Adlerpaare noch nicht lange zusammen sind und hinsichtlich anderer „Flugobjekte“ unerfahren sind.

Morgen geht´s weiter und zwar damit, was Adler und die Leinenpflicht für Hunde gemeinsam haben und wie man Mitglied im Adlerteam wird..

Der Nationalpark Berchtesgaden ist ein Refugium für unzählige Tiere – am Boden und in der Luft. Auch Steinadler leben hier, für deren Beobachtung es ein eigenes Steinadlerteam unter der Leitung von Uli Brendel gibt.

Unsere Steinadler öffnen die Herzen der Menschen

„Die anderen Tiere werden natürlich auch dokumentiert, aber der Steinadler gehört zu den potentiell gefährdeten Tieren, die auch in der FFH-Richtlinie genannt werden und die „wertgebend“ für den Nationalpark sind. Und mit den Steinadlern kann man auch sehr gut die Herzen der Menschen öffnen und ihre Begeisterung für die Natur wecken.

Ihr Untersuchungsgebiet ist rund 1.500 Quadratkilometer groß und erstreckt sich auf die östlichen bayerischen Alpen. Also das Gebiet zwischen dem Salzachtal und Rosenheim, bzw. Kufstein.

Damit sich die Steinadler in ihrem Revier wohlfühlen, brauchen diese eine Fläche von rund 30-100 Quadratkilometern. Wie groß das Revier ist, hängt von der „Kammerung“ der Landschaft ab, also deren Struktur, sowie der Thermik, dem Beutetierangebot und der Beutetiererreichbarkeit. Neben den Revieren auf deutscher Seite beobachtet das Adlerteam auch vier Reviere auf der österreichischen Seite.

Nationalpark Berchtesgaden - Der Adlerkopf am Monitoring Standort

Nationalpark Berchtesgaden – Der Adlerkopf am Monitoring Standort

Interview mit Uli Brendel, Stellvertretender Leiter Nationalpark Berchtesgaden

Für BGLand24.de waren wir mit dem Adlerteam im Nationalpark unterwegs und haben Uli Brendel zum Interview getroffen.

Wie viele Steinadler gibt es in Bayern?

Insgesamt gibt es derzeit in Bayern rund 45 Paare. 12 davon untersuchen wir vom Nationalpark, außerdem noch 4, die auf der österreichischen Seite leben. Sprich, wir kümmern uns um circa ¼ der deutschen (= bayerischen) Steinadlerpopulationen. Dadurch, dass  wir hier die Randpopulation untersuchen, merken wir sehr schnell, wenn sich was verändert, also auch in den Zentralalpen. Wenn dort nicht mehr genügend Überschuss „produziert wird“, der unsere Lücken füllt, dann merkt man das als erstes daran, dass in den Randbereichen keine „neuen“ Tiere mehr ankommen. Manchmal werden auch Reviere ganz aufgegeben, weil sich kein neuer Revierpartner findet, wenn einer ausfällt. Durch unser Monitoring haben wir eine große Verantwortung und ein wichtiges Vorwarnsystem aufgebaut.

Wie viele Steinadler gibt es bei uns?

Wir haben insgesamt 16 Steinadlerpaare hier, die wir alle unterscheiden können. Für jedes Paar gibt es eine sogenannte Individualkartei, in der wir die Daten über diese Revierpaare sammeln. Da diese in der Regel in ihren Territorien bleiben und nicht in andere fliegen, ist es für uns recht einfach diese auseinanderzuhalten.

Ist das Paar noch zusammen, brüten sie in der Regel. Hat ein Adler einen neuen Partner, dann muss sich das Paar erstmal auf einander abstimmen. Ihre Jagdmethoden, ihre Kommunikation, etc. Das wächst ja über Jahre. Wenn wir merken, dass einer von den Alten ausgefallen ist, dann können wir uns von der Beobachtungsintensität auf ein anderes Revier verlegen, weil wir wissen, da wird sich sehr wahrscheinlich erstmal nichts tun.

Brüten die jedes Jahr im gleichen Horst?

Nein. Um die 95 Horste haben wir in unserem gesamten Untersuchungsgebiet und wir lernen fast jedes Jahr einen weiteren kennen.  Allein zehn Horste gibt es im Klausbachtal. Zum Brüten wird jedes Jahr ein anderer aufgesucht. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen soll der Horst so nah wie möglich am Jagdgebiet sein und zum anderen gewöhnen sich die Beutetiere recht schnell an die Jagdmethoden der Adler. Wechseln die Vögel jedes Jahr ihren Platz, ist die Ausbeute größer, weil die Beutetiere sich erstmal der neuen Gefahr bewusst werden müssen.

Es kommt auch immer mal wieder vor, dass wir einen Horst gezeigt bekommen, den wir noch nicht kennen. Das muss aber nicht direkt bedeuten, dass es auch gleichzeitig ein neuer Horst ist, sondern eher einer, den es früher schon mal gab und der neu genutzt, also „reaktiviert“ wird.

Der regelmäßige Horstwechsel sorgt aber auch automatisch für eine Reinigung des Horstes von Parasiten. Diese entstehen durch die Aasfütterung der Jungtiere. Die Eier der Parasiten, die gelegt werden, überwintern z. T. in den Horsten und wenn die Parasiten im Frühjahr schlüpfen, würden sie automatisch die jungen Adler angehen und schädigen. Finden die geschlüpften Parasiten keine Nahrung sterben sie ab und der Horst ist wieder sauber.

Ein weiteres Hilfsmittel um die Horste für die weitere Nutzung sauber zu halten sind die „Blätter“ von Nadelbäumen, also die Nadeln, welche das ganze Jahr über von den Adlern in Form von Zweigen in die Horste gebracht werden. In den Nadeln sind chemische Verbindungen wie Terpene und Isoprene enthalten, die ebenfalls das Nest säubern bzw. den Parasitenbefall reduzieren. Und nebenbei bauen die Adler so dann auch die Horste weiter auf und lassen sie wachsen, was in Schottland dazu geführt hat, dass über mehrere Adlergenerationen ein Horst so weit aufgebaut wurde, dass er über sieben Meter hoch und rund eine Tonne schwer war, bis er dann irgendwann aus dem Baum herausgebrochen ist. Das klappt bei unseren Horsten in den Felshöhlen natürlich nicht, denn sonst ist irgendwann kein Platz mehr für die Adler selber.

Welche Lebenserwartung haben die Adler?

Adler werden in der Regel circa 25 – 30 Jahre alt. Allerdings gibt es eine hohe Sterblichkeitsrate bei Jungtieren. Bis zur Erreichung der Geschlechtsreife sterben circa ¾ aller Adler. Das liegt daran, dass sie anfangs wahnsinnig schlechte Flieger sind, noch nicht selber jagen können und gefüttert werden müssen. Außerdem bleiben sie in der Regel nur ein Jahr lang bei den Eltern und werden im kommenden Jahr aus dem Revier vertrieben, weil diese dann wieder neu brüten. Dann müssen sie selber lernen zu überleben und das schaffen nur die fittesten. Brüten die Eltern nicht sofort wieder, dann dulden sie die Jungtiere manchmal noch ein weiteres Jahr – das ist natürlich ein riesiger Vorteil für den betreffenden Jungvogel.

Was genau macht das Adlerteam?

Unser Adlerteam besteht aus kleineren Trupps aus zwei bis drei Leuten. Im Moment haben wir sechs Praktikanten, insgesamt sind wir neun Leute. Wenn wir alle draußen sind, können wir drei 3er Teams bilden. Das ist dann perfekt. Dann heißt es Augen aufhalten und sicher erkennen, ob es ein Adler ist oder nicht. Das lernen unsere Praktikanten als Erstes. Dann den Adler verfolgen und den anderen Teammitgliedern Bescheid geben, wo er gerade fliegt, damit diese übernehmen können, wenn er aus dem eigenen Blickfeld fliegt. In der Regel kann man so recht schnell herausfinden, welchen Teil des Reviers bzw. welchen Horst der Adler in dem jeweiligen Jahr fokussiert.

Bekommt man da nicht recht schnell eine Genickstarre?
Nein – genau dafür haben wir z. B. hier an der Beobachtungsstation statt normalen Bänken diese Liegen errichtet. Manche Besucher machen zwar gerne mal blöde Bemerkungen, dass unsere Praktikanten sozusagen da rumliegen, aber anders wäre eine solche langfristige Beobachtung sehr anstrengend.

Wie laufen die Führungen zur Adlerbeoachtung ab?

Noch bevor die Führung beginnt, sind wir in der Regel schon an den Beobachtungsplätzen. Dann können wir die Besucher schneller darauf aufmerksam machen, in welcher Richtung die Beobachtungschancen am größten sind. Wenn wir auch erst lange suchen und schauen müssen, dann werden die Leute schnell unaufmerksam, denn die Erwartungshaltung ist schon sehr hoch.

Ferngläser muss man selber mitbringen oder verleiht Ihr die?

Wir haben in der Regel ausreichend Ferngläser dabei. Es sei denn in der absoluten Hochzeit im Sommer können schon mal locker 80 Leute kommen, dann müssen sie sich abwechseln. Aber viele haben Ferngläser dabei.

Gibt es Jahreszeiten, wo die Chance am größten ist welche zu sehen?

Aktuell im Frühjahr. Wenn die Beutetiere im Herbst weiter oben stehen, dann jagen sie auch entsprechend weiter oben. Außerdem sind sie derzeit auf Horstsuche und balzen. Das ist dann von einem Tag auf den anderen vorbei und man sieht nur noch einen, weil der andere im Horst ist und brütet. Dann sind sie sehr heimlich – aber bis dahin sollten wir sie ja bereits „gefunden“ haben …

Und dann wird dieser Horst für Piloten gesperrt?

Ja, darum müssen wir alle Horste genau dokumentieren, die in dieser Zeit angeflogen werden. Rund um diese Horste sperren wir die Flugzonen und sobald wir wissen, wo die Eiablage stattgefunden hat, können wir die anderen wieder freigeben. Das ist auch für die Akzeptanz bei den Fliegern sehr wichtig, dass wir nicht wahllos alles sperren, sondern auch wieder öffnen und nur das schützen, wo die Adler dann sicher brüten.

Ist es nicht riskant diese ganzen Daten zu veröffentlichen?

Zu Beginn unserer Tätigkeit wurden wir in der Tat von einigen Naturschützern ziemlich kritisiert, dass wir „sensible Daten“ veröffentlichen. Und es wurde spekuliert, dass Gleitschirm-/Drachenflieger dann extra dorthin fliegen könnten. Aber ganz im Gegenteil, die wollen ja auch nicht angefeindet werden und meiden mittlerweile die gesperrten Bereiche. Die wollen ja auch in einer intakten Natur fliegen und das kann man bei uns wunderbar.

Morgen geht´s weiter mit einem Artikel über das Informationssystem für Gleitschirmflieger über die Flugverbotszonen rund um die Brutzeit und welche Bruterfolge sich in den letzten Jahren ergeben haben…

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