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Der Nationalpark Berchtesgaden ist ein Refugium für unzählige Tiere – am Boden und in der Luft. Auch Steinadler leben hier, für deren Beobachtung es ein eigenes Steinadlerteam unter der Leitung von Uli Brendel gibt.

Unsere Steinadler öffnen die Herzen der Menschen

„Die anderen Tiere werden natürlich auch dokumentiert, aber der Steinadler gehört zu den potentiell gefährdeten Tieren, die auch in der FFH-Richtlinie genannt werden und die „wertgebend“ für den Nationalpark sind. Und mit den Steinadlern kann man auch sehr gut die Herzen der Menschen öffnen und ihre Begeisterung für die Natur wecken.

Ihr Untersuchungsgebiet ist rund 1.500 Quadratkilometer groß und erstreckt sich auf die östlichen bayerischen Alpen. Also das Gebiet zwischen dem Salzachtal und Rosenheim, bzw. Kufstein.

Damit sich die Steinadler in ihrem Revier wohlfühlen, brauchen diese eine Fläche von rund 30-100 Quadratkilometern. Wie groß das Revier ist, hängt von der „Kammerung“ der Landschaft ab, also deren Struktur, sowie der Thermik, dem Beutetierangebot und der Beutetiererreichbarkeit. Neben den Revieren auf deutscher Seite beobachtet das Adlerteam auch vier Reviere auf der österreichischen Seite.

Nationalpark Berchtesgaden - Der Adlerkopf am Monitoring Standort

Nationalpark Berchtesgaden – Der Adlerkopf am Monitoring Standort

Interview mit Uli Brendel, Stellvertretender Leiter Nationalpark Berchtesgaden

Für BGLand24.de waren wir mit dem Adlerteam im Nationalpark unterwegs und haben Uli Brendel zum Interview getroffen.

Wie viele Steinadler gibt es in Bayern?

Insgesamt gibt es derzeit in Bayern rund 45 Paare. 12 davon untersuchen wir vom Nationalpark, außerdem noch 4, die auf der österreichischen Seite leben. Sprich, wir kümmern uns um circa ¼ der deutschen (= bayerischen) Steinadlerpopulationen. Dadurch, dass  wir hier die Randpopulation untersuchen, merken wir sehr schnell, wenn sich was verändert, also auch in den Zentralalpen. Wenn dort nicht mehr genügend Überschuss „produziert wird“, der unsere Lücken füllt, dann merkt man das als erstes daran, dass in den Randbereichen keine „neuen“ Tiere mehr ankommen. Manchmal werden auch Reviere ganz aufgegeben, weil sich kein neuer Revierpartner findet, wenn einer ausfällt. Durch unser Monitoring haben wir eine große Verantwortung und ein wichtiges Vorwarnsystem aufgebaut.

Wie viele Steinadler gibt es bei uns?

Wir haben insgesamt 16 Steinadlerpaare hier, die wir alle unterscheiden können. Für jedes Paar gibt es eine sogenannte Individualkartei, in der wir die Daten über diese Revierpaare sammeln. Da diese in der Regel in ihren Territorien bleiben und nicht in andere fliegen, ist es für uns recht einfach diese auseinanderzuhalten.

Ist das Paar noch zusammen, brüten sie in der Regel. Hat ein Adler einen neuen Partner, dann muss sich das Paar erstmal auf einander abstimmen. Ihre Jagdmethoden, ihre Kommunikation, etc. Das wächst ja über Jahre. Wenn wir merken, dass einer von den Alten ausgefallen ist, dann können wir uns von der Beobachtungsintensität auf ein anderes Revier verlegen, weil wir wissen, da wird sich sehr wahrscheinlich erstmal nichts tun.

Brüten die jedes Jahr im gleichen Horst?

Nein. Um die 95 Horste haben wir in unserem gesamten Untersuchungsgebiet und wir lernen fast jedes Jahr einen weiteren kennen.  Allein zehn Horste gibt es im Klausbachtal. Zum Brüten wird jedes Jahr ein anderer aufgesucht. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen soll der Horst so nah wie möglich am Jagdgebiet sein und zum anderen gewöhnen sich die Beutetiere recht schnell an die Jagdmethoden der Adler. Wechseln die Vögel jedes Jahr ihren Platz, ist die Ausbeute größer, weil die Beutetiere sich erstmal der neuen Gefahr bewusst werden müssen.

Es kommt auch immer mal wieder vor, dass wir einen Horst gezeigt bekommen, den wir noch nicht kennen. Das muss aber nicht direkt bedeuten, dass es auch gleichzeitig ein neuer Horst ist, sondern eher einer, den es früher schon mal gab und der neu genutzt, also „reaktiviert“ wird.

Der regelmäßige Horstwechsel sorgt aber auch automatisch für eine Reinigung des Horstes von Parasiten. Diese entstehen durch die Aasfütterung der Jungtiere. Die Eier der Parasiten, die gelegt werden, überwintern z. T. in den Horsten und wenn die Parasiten im Frühjahr schlüpfen, würden sie automatisch die jungen Adler angehen und schädigen. Finden die geschlüpften Parasiten keine Nahrung sterben sie ab und der Horst ist wieder sauber.

Ein weiteres Hilfsmittel um die Horste für die weitere Nutzung sauber zu halten sind die „Blätter“ von Nadelbäumen, also die Nadeln, welche das ganze Jahr über von den Adlern in Form von Zweigen in die Horste gebracht werden. In den Nadeln sind chemische Verbindungen wie Terpene und Isoprene enthalten, die ebenfalls das Nest säubern bzw. den Parasitenbefall reduzieren. Und nebenbei bauen die Adler so dann auch die Horste weiter auf und lassen sie wachsen, was in Schottland dazu geführt hat, dass über mehrere Adlergenerationen ein Horst so weit aufgebaut wurde, dass er über sieben Meter hoch und rund eine Tonne schwer war, bis er dann irgendwann aus dem Baum herausgebrochen ist. Das klappt bei unseren Horsten in den Felshöhlen natürlich nicht, denn sonst ist irgendwann kein Platz mehr für die Adler selber.

Welche Lebenserwartung haben die Adler?

Adler werden in der Regel circa 25 – 30 Jahre alt. Allerdings gibt es eine hohe Sterblichkeitsrate bei Jungtieren. Bis zur Erreichung der Geschlechtsreife sterben circa ¾ aller Adler. Das liegt daran, dass sie anfangs wahnsinnig schlechte Flieger sind, noch nicht selber jagen können und gefüttert werden müssen. Außerdem bleiben sie in der Regel nur ein Jahr lang bei den Eltern und werden im kommenden Jahr aus dem Revier vertrieben, weil diese dann wieder neu brüten. Dann müssen sie selber lernen zu überleben und das schaffen nur die fittesten. Brüten die Eltern nicht sofort wieder, dann dulden sie die Jungtiere manchmal noch ein weiteres Jahr – das ist natürlich ein riesiger Vorteil für den betreffenden Jungvogel.

Was genau macht das Adlerteam?

Unser Adlerteam besteht aus kleineren Trupps aus zwei bis drei Leuten. Im Moment haben wir sechs Praktikanten, insgesamt sind wir neun Leute. Wenn wir alle draußen sind, können wir drei 3er Teams bilden. Das ist dann perfekt. Dann heißt es Augen aufhalten und sicher erkennen, ob es ein Adler ist oder nicht. Das lernen unsere Praktikanten als Erstes. Dann den Adler verfolgen und den anderen Teammitgliedern Bescheid geben, wo er gerade fliegt, damit diese übernehmen können, wenn er aus dem eigenen Blickfeld fliegt. In der Regel kann man so recht schnell herausfinden, welchen Teil des Reviers bzw. welchen Horst der Adler in dem jeweiligen Jahr fokussiert.

Bekommt man da nicht recht schnell eine Genickstarre?
Nein – genau dafür haben wir z. B. hier an der Beobachtungsstation statt normalen Bänken diese Liegen errichtet. Manche Besucher machen zwar gerne mal blöde Bemerkungen, dass unsere Praktikanten sozusagen da rumliegen, aber anders wäre eine solche langfristige Beobachtung sehr anstrengend.

Wie laufen die Führungen zur Adlerbeoachtung ab?

Noch bevor die Führung beginnt, sind wir in der Regel schon an den Beobachtungsplätzen. Dann können wir die Besucher schneller darauf aufmerksam machen, in welcher Richtung die Beobachtungschancen am größten sind. Wenn wir auch erst lange suchen und schauen müssen, dann werden die Leute schnell unaufmerksam, denn die Erwartungshaltung ist schon sehr hoch.

Ferngläser muss man selber mitbringen oder verleiht Ihr die?

Wir haben in der Regel ausreichend Ferngläser dabei. Es sei denn in der absoluten Hochzeit im Sommer können schon mal locker 80 Leute kommen, dann müssen sie sich abwechseln. Aber viele haben Ferngläser dabei.

Gibt es Jahreszeiten, wo die Chance am größten ist welche zu sehen?

Aktuell im Frühjahr. Wenn die Beutetiere im Herbst weiter oben stehen, dann jagen sie auch entsprechend weiter oben. Außerdem sind sie derzeit auf Horstsuche und balzen. Das ist dann von einem Tag auf den anderen vorbei und man sieht nur noch einen, weil der andere im Horst ist und brütet. Dann sind sie sehr heimlich – aber bis dahin sollten wir sie ja bereits „gefunden“ haben …

Und dann wird dieser Horst für Piloten gesperrt?

Ja, darum müssen wir alle Horste genau dokumentieren, die in dieser Zeit angeflogen werden. Rund um diese Horste sperren wir die Flugzonen und sobald wir wissen, wo die Eiablage stattgefunden hat, können wir die anderen wieder freigeben. Das ist auch für die Akzeptanz bei den Fliegern sehr wichtig, dass wir nicht wahllos alles sperren, sondern auch wieder öffnen und nur das schützen, wo die Adler dann sicher brüten.

Ist es nicht riskant diese ganzen Daten zu veröffentlichen?

Zu Beginn unserer Tätigkeit wurden wir in der Tat von einigen Naturschützern ziemlich kritisiert, dass wir „sensible Daten“ veröffentlichen. Und es wurde spekuliert, dass Gleitschirm-/Drachenflieger dann extra dorthin fliegen könnten. Aber ganz im Gegenteil, die wollen ja auch nicht angefeindet werden und meiden mittlerweile die gesperrten Bereiche. Die wollen ja auch in einer intakten Natur fliegen und das kann man bei uns wunderbar.

Morgen geht´s weiter mit einem Artikel über das Informationssystem für Gleitschirmflieger über die Flugverbotszonen rund um die Brutzeit und welche Bruterfolge sich in den letzten Jahren ergeben haben…

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