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29. September 2023 | Lesezeit ca. 4 Min.

Apfel, Birne, Berge – Streuobstpakt zum Erhalt alter Obstsorten im Alpenvorland

Zuhause für über 5.000 Tier- und Pflanzenarten

Im oberbayerischen Alpenvorland prägen Streuobstwiesen seit jeher das Bild. Doch sie sind mehr als nur hübsch anzusehen: Als Biotop bilden die Kulturlandschaften zahlreiche Hotspots der Artenvielfalt. Die höhlen- und totholzreichen Altbäume bieten über 5.000 Tier- und Pflanzenarten ein Zuhause. Somit zählen Streuobstwiesen zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas – noch.

Um das stark dezimierte und häufig gefährdete Natur- und Kulturerbe lebendig zu halten, bedarf es einer entschlossenen und umfassenden Initiative. Im Rahmen des Streuobstpakts trägt die Bayerische Staatsregierung maßgeblich zum Erhalt der traditionellen Form des Obstanbaus bei. Das ambitionierte Ziel lautet, bis 2035 eine Million zusätzliche Streuobstbäume im Freistaat zu pflanzen. Das Projekt Apfel-Birne-Berge in Rosenheim verfolgt einen breit gefächerten Erhaltungsansatz. Unterstützt wird das Projekt von Experten wie dem Sortenkundler Georg Loferer.

Neue alte Sorten – Über die Vielfalt der Obstsorten

In den sechs Landkreisen entlang der Alpenkette zwischen Weilheim-Schongau und Berchtesgadener Land wurden bereits zwischen 2015 und 2018 von dem Pomologen Georg Loferer im Auftrag der Regierung von Oberbayern seltene Apfel- und Birnensorten gesucht. Dabei wurden hunderte Bäume gefunden, die auch von führenden deutschen Sortenkundlern nicht bestimmt werden konnten. Im Rahmen des 5-jährigen (2019-2024) Biodiversitätsprojektes „Apfel-Birne-Berge“ werden nun 270 seltene oder gar unbekannte bzw. „vergessene“ Sorten nachgezogen und in Sortenerhaltungsgärten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Schnelle Kopulation zum Erhalt alter Sorten

Von diesen „unbekannten“ Apfel- oder Birnensorten gibt es oft nur noch wenige und meist sehr alte Bäume. Um sie in eine Zukunft zu führen, mussten sie so schnell wie möglich vermehrt werden. Hierzu wurden von den Altbäumen Reiser geschnitten und diese auf Jungbäume veredelt. „Das Verfahren wird Kopulation genannt“, sagt Loferer, der schon als Kind seinem Onkel bei der Obsternte half und selbst eine große Streuobstwiese bewirtschaftet. „Leider sind mit dem Verlust der Streuobstwiesen und der Aufgabe der sorgsamen Pflege die vielen alten regionalen Obstsorten und das Wissen darum verloren gegangen“, erklärt der aus Rohrdorf stammende Streuobst-Experte.

„Neupflanzungen orientieren sich in der Regel an den handelsüblichen Sorten, wobei sofortige Genussreife, Eignung als Tafelobst und sichere Erträge bei der Sortenwahl im Vordergrund stehen.“ Die alten Sorten werden dagegen oft pauschal als besonders robust, gesund und schmackhaft bezeichnet. Georg Loferer findet, das sei so nicht haltbar: „Wichtig ist vor allem, dass die alten Sorten einen breiten Pool an Genreserven bieten, der bedroht ist, aber in Zeiten des Klimawandels und neuartiger Krankheiten enorme Chancen bietet.

Unsere Aufgabe ist es einerseits, diese Vielfalt langfristig zu sichern und andererseits jene Sorten zu identifizieren, die sich besonders gut für den Streuobstanbau auf Hochstämmen eignen aufgrund Ihrer Wuchskraft, Robustheit und Ertragshöhe. Moderne Plantagensorten wie der beliebte „Topaz“ sind hierfür weitgehend ungeeignet.“

(c)StMELF - Loferer (Pflaume)
(c)StMELF – Loferer (Pflaume)

Sortenvielfalt in den Schaugärten

Im Rahmen des Projekts „Apfel-Birne-Berge“ haben die Fachleute die gefundenen sowie neu kartierten Sorten systematisch pomologisch und genetisch untersucht, ausführliche Sortenbeschreibungen erstellt, Verwertungsversuche durchgeführt (z.B. Brenn- und Dörrversuche), nachgezüchtet und in öffentlich zugänglichen Schaugärten gepflanzt. „Das kostet zwar viel Zeit und Mühe, aber es geht schließlich darum, den genetischen Schatz langfristig zu erhalten und jene „Perlen“ zu finden, mit denen man die Streuobstwiesen der Zukunft begründen kann “, bekräftigt Loferer, der seinen Master Forst- und Holzwissenschaften an der TU München/Weihenstephan absolvierte.

“Es ist erstaunlich, wie viele Sorten es eigentlich gibt. Teils sind diese geradezu namenlos. Oft wurde das Sortenwissen nur mündlich weitergegeben. Durch den Bedeutungsverlust des Streuobstes nach dem 2. Weltkrieg nahmen viele Menschen ihr Wissen „mit ins Grab“, sodass man heute vor mächtigen alten Bäumen steht, ohne irgendeine Information darüber zu haben“.

Das Projekt wird getragen von den fünf Voralpenlandkreisen Traunstein, Rosenheim, Miesbach, Bad Tölz-Wolfratshausen, Weilheim-Schongau sowie der Biosphärenregion Berchtesgadener Land e. V. und dem Bezirksverband Oberbayern für Gartenkultur und Landespflege e.V. mit finanzieller Unterstützung durch den Bezirk Oberbayern und den Bayerischen Naturschutzfonds. Verantwortlich in den einzelnen Landkreisen sind die Kreisfachberater*innen für Gartenkultur und Landespflege an den jeweiligen Landratsämtern.

Durch den hohen methodischen Anspruch und den systematischen Ansatz gilt Apfel-Birne-Berge bayernweit als Musterbeispiel für ein Sortenerfassungs- und Erhaltungsprojekt. Es ist ein Folgeprojekt geplant, bei dem dann besonders die in den Gärten gepflanzten Sorten bewertet werden sollen und ein Reiserabgabesystem etabliert wird, um diese Sorten auch wieder in die Landschaft zu bringen. Ein breites Spektrum an Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit (Sortenausstellungen, Pomologiekurse, Pressearbeit, Vorträge, Tagungen etc.) rundet das Projekt ab.

Weitere Informationen findet Ihr unter www.bayern-streuobstpakt.de

Quelle: Crystalcommunications


Petra Sobinger
petra.sobinger@be-outdoor.de
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