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31. März 2022 | Lesezeit ca. 5 Min.

Erweiterung Ja oder Nein? – Über den Kampf um das Kührointhaus im Nationalpark

Multifunktionaler Ausbau oder Pochen auf den Bestandsschutz?

Das Kührointhaus auf rund 1.420 m inmitten des Berchtesgadener Land liegt nicht nur im Gebirgsnationalpark Berchtesgaden sondern auch im Biosphärenreservat Berchtesgaden und in nach Natura 2000 europarechtlich geschützten Gebieten. Der Bau, der im Jahr 1938 fertiggestellt wurde, diente bis zum Ende des 2. Weltkrieges als Gebirgsstützpunkt.

Im Jahr 1972 erwarb der Bundesgrenzschutz das Gebäude, dass größentechnisch Platz für eine komplette Kompanie bot. Am 1. August 1979 erwarb das Bundesministerium des Inneren das Kührointhaus und unterstellte es dem damaligen Grenzschutzkommando Süd. Seit dem Jahr 1989 dient es u.a. als Lehrgangsstätte. Im Laufe der Zeit wandelte sich das Veranstaltungsangebot immer mehr von der reinen Ausbildungsstätte bis hin zum Trainingszentrum.

Das Kührointhaus im Nationalpark

Seitdem das Kührointhaus im Jahr 2001 der Bundespolizeiakademie zugeordnet wurde, wurde das Lehrgangsangebot noch einmal erweitert und erfuhr eine Neuausrichtung. In dieser Wandlung wurden u.a. Seminarräume eingerichtet, die Medientechnologie erweitert und die Unterbringungskapazitäten auf nur noch 54 Plätze reduziert. Das Angebot richtet sich an Führungskräfte, Spezialeinheiten und Einsatzgruppen der Bundespolizei.

Ziel der Seminare ist der Ausbau der sozialen und persönlichen Kompetenz, sowie die Teamfähigkeit. Rund 2.500 Teilnehmer kommen zu diesem Zweck pro Jahr ins Kührointhaus und nehmen an den ein- bis zweiwöchigen Lehrgängen teil. Teamtrainings, aktive Regeneration, Gesundheitsförderung, Gebirgsausbildung und Nacharbeitung von Auslandseinsätzen stehen hierbei im Fokus.

Außerdem wird das Kührointhaus im Rahmen von Sonderveranstaltungen wie Delegationsbesuchen ausländischer Sicherheitsbehörden, Sicherheitstagungen, Symposien und Staatsbesuchen verwendet„, so ist auf einem Screenshot zu lesen, der lt. dem Bund Naturschutz noch bis 08.12.21 auf der Homepage Bundespolizei Kührointhaus zu finden war.

Geplante Erweiterung im Kritik der Naturverbände

Die Bundespolizei plant nun eine Erweiterung und einen Ausbau ihres Trainingszentrums am Kührointhaus im Nationalpark Berchtesgaden. Geplant ist, u.a. ein weiteres Gebäude mit fast ebenso großer Grundfläche, sowie ein Leitungsbau. „Dieses Vorhaben reicht weit über den Bestandschutz hinaus. Nach unserer Auffassung hat eine Bundesbehörde eine Vorbildfunktion bei der Umsetzung von Naturschutzzielen. Doch diese Planungen sind nicht vereinbar mit der Nationalparkverordnung„, so die Kritik vom Bund Naturschutz.

Nach der Nationalparkverordnung sind Neu- und Erweiterungsbauten innerhalb des Nationalparks eigentlich verboten, weshalb das staatliche Bauamt Traunstein eine Befreiung des Verbots beantragt hat. Dazu läuft aktuell das Genehmigungsverfahren.

Die Umweltverbände BN, LBV und VzSB lehnen den Um- und Ausbau des Unterkunftshauses zu einem multifunktionalen Trainings- und Tagungszentrum ab, „denn im Gebirgsnationalpark haben die einzigartige Natur und ihr Schutz Vorrang„, so der Tenor einer gemeinsamen Sitzung zu der auch die örtliche Presse eingeladen war.

Gemeinsame Sitzung der Naturverbände mit Pressevertretern

In der nachfolgend veröffentlichen Pressemeldung legten die Vertreter nochmals ihren Standpunkt dar:

Richard Mergner, Vorsitzender des BUND Naturschutz in Bayern e.V. (BN)

„Der Nationalpark Berchtesgaden ist der einzige Gebirgsnationalpark in Deutschland und daher für den nationalen Naturschutz von höchster Bedeutung. Die bestehende touristische Infrastruktur ist strikt auf den bestehenden Bestandsschutz beschränkt. Erweiterungen sind nicht zugelassen, das wurde kürzlich am Watzmannhaus vor Gericht bestätigt“.

Hartwig Brönner, stellv. Vorsitzender des Landesbund für Vogelschutz (LBV)

„Öffentliche Einrichtungen haben eine Vorbildfunktion bei der Umsetzung hochrangiger Naturschutzziele, doch schon jetzt gibt es einen erheblichen Fahrzeugverkehr, der in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Dieser Nutzungsdruck darf durch die Erweiterung von Infrastruktur mit einer Zunahme von über 30% Gebäudefläche sowie zunehmenden Störungen nicht weiter erhöht werden“.

Dr. Sabine Rösler, Vorsitzende des Vereins zum Schutz der Bergwelt (VzSB)

„Wir wenden uns nicht gegen die traditionelle Nutzung wie die Bergausbildung der Bundespolizei am Kührointhaus. Diese Nutzung ist Teil der Nationalparkhistorie und soll erhalten werden. Doch eine Umwandlung zu einem multifunktionalen Trainings- und Tagungszentrum ist für uns nicht akzeptabel“, äußert sich
Dr. Sabine Rösler, Vorsitzende des Vereins zum Schutz der Bergwelt (VzSB).

Rita Poser, BN-Kreisvorsitzende Berchtesgadener Land

„Geplant ist auch ein Leitungsbau für Wasser, Abwasser, Strom und Glasfaserkabel – finanziert zu 70% über das Berghütten-Projekt der Staatsregierung für Lagen über 1000 Meter, ein aufgelegtes Sonderprogramm der RZWas 2021*. Dabei sollen Teile der Trasse nicht in der Forststraße sondern den verbliebenen Wanderwegen verlegt werden, um die Trasse etwas zu verkürzen. Auch das Watzmannhaus soll im Zuge dessen angeschlossen werden. Dieser Leitungsbau muss unbedingt als Summationsprüfung bei dem Erweiterungsvorhaben mitbetrachtet werden, denn auch dieser wird sich negativ auf Schutzgüter auswirken“ ( *Richtlinien für Zuwendungen zu wasserwirtschaftlichen Vorhaben (RZWas 2021).

Sabine Pröls, Leiterin LBV-Regionalgeschäftsstelle Inn-Salzach

„Auch wenn nach Auskunft der Bundespolizei die lokal politischen Akteure bereits ihre Zustimmung gegeben haben, befinden wir uns erst im Anhörungsverfahren. Wir halten es unter dem Gesichtspunkt der Rechtsstaatlichkeit für problematisch, wenn der Eindruck erweckt wird, dass die eigentliche Entscheidung schon vor Durchführung des gesetzlichen Genehmigungsverfahrens getroffen wurde. Erst im Genehmigungsverfahren werden alle Naturschutzbelange geprüft und dies setzt wiederum eine unparteiische Amtsführung der zuständigen Behörden voraus. Wir kommen zu dem Schluss, dass die Erweiterungspläne nicht mit dem verschieden rechtlichen und naturschutzfachlichen Belangen vereinbar sind“, erläutert Sabine Pröls, Leiterin LBV-Regionalgeschäftsstelle Inn-Salzach.

Die Verbände sind sich einig, dass „in dieser Angelegenheit besondere Anforderungen wie die Prüfung von Alternativen und die Notwendigkeit eines überwiegenden öffentlichen Interesses. Dieses öffentliche Interesse für einen Ausbau mit nicht gebirgsspezifischen Zielen können wir hier nicht sehen, zumal die Eingriffe nach unserer Beurteilung nicht mit den Belangen der Schutzzwecke vereinbar sind“.

Weitere Infos zu diesem Thema findet Ihr auf den Webseiten der einzelnen Verbände. Herzlichen Dank an dieser Stelle von unserer Redaktion für die Teilnahme an der Sitzung.

Quelle: Gemeinsame Pressemeldung der teilnehmenden Verbände:


Petra Sobinger
petra.sobinger@be-outdoor.de
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