Anzeige
3. Mai 2017 | Lesezeit ca. 6 Min.

Frühjahrszeit – Todeszeit?

Jetzt auf die Rehkitze aufpassen!

In Kooperation mit BGLand24.de haben wir im vergangenen Jahr mit Anderl Resch, einem Landwirt aus dem Berchtesgadener Land ein Interview zum Thema „Wie schütze ich die Rehkitze“ gemacht.

Gemeinsam mit ihm und unseren Redaktionshunden sind wir mehrere Male seine Wiesen abgelaufen und haben Scheuchen aufgestellt. Hier geht´s zum Artikel…

 

Interview mit der Wildtierbiologin Dr. Christine Miller

Unsere Redaktion hat die Wildtierbiologin Dr. Christine Miller gefragt, wie die jungen Kitz ihre ersten Wochen verbringen und welchen Gefahren sie ausgesetzt sind.

„20-80% der Kitze sterben im ersten  Sommer. Wie viel davon durch Mähwerke zu Tide kommen ist unterschiedlich und hängt von der Landschaftsstruktur und der Rücksicht der Landwirte ab“, so Dr. Miller. Und ergänzt: „Neben der Landwirtschaft ist der Bestand auch extrem wetterabhängig.

So sind die Geißen aufgrund des frühen Frühjahrbeginns rund zwei Wochen „außer Takt“ geraten. Vor allem in Waldgebieten schlägt sich das in geringerer Überlebenswahrscheinlichkeit der Kitze nieder. Auch die Wetterkapriolen im Frühling, vom Spätfrost bis zum Dauerregen im Mai sind schlechte Nachrichten für die Kitze.

Die aktive Führung der Kitze durch die Geiß erfolgt erst ab Mitte/Ende August. Erst dann lernen die Jungen mit der Mutter das Revier kennen, denn Ortskenntnisse sind überlebensnotwendig. Bis zum nächsten Frühjahr stehen dann die Fächer ‚Sicherheit‘ und ‚Revierkunde‘ auf dem Stundenplan. Und so lange dauert auch in jedem Fall die Führung der Kitze. Verlieren die Kitze vorher die Mutter, staksen sie recht unsicher und unerfahren in durch die Einstände und sind Lebensgefahr ausgesetzt“.

 

Wissenswertes über den Start ins Leben der jungen Kitze

Wusstet Ihr zum Beispiel:

  • Auch der Klimawandel gefährdet die kleinen Rehe. Spätwintereinbrüche schwächen zum Beispiel die Geißen und machen den Kitzen die ersten Lebenswochen extrem schwer, manchmal sogar zu schwer zum Überleben. Aber das ist noch nicht alles. Auch der Sommer birgt nicht zu unterschätzende Gefahren. So lassen zu trockene Sommer die Kitze zum Beispiel ebenfalls kümmern, da die Mutter nicht mehr genug Milch produzieren kann
  • Übrigens – bei der Wahl der Setzeinstände, also dort wo die Geißen ihre Kinder ablegen entscheidet übrigens der Charakter der Geißen: forsche Mütter setzen ihre Kitze lieber auf Wiesen und offenem Gelände, scheue vorsichtige Geißen eher im Wald. Generell gilt: Passende Setzeinstände sind warm, trocken und sicher
  • Je wärmer und trockener der Sommer, desto geringer ist der Zuwachs. So schwanken in Frankreich zum Beispiel die Kitzgewichte von Jahr zu Jahr um bis zu 30 % je nach Klima. In heißen Jahren sind nicht nur die Kitze in dem folgenden Sommers leichter, sondern auch die des nächsten
  • In den ersten Lebensmonaten sterben 20-80% der gesetzten Kitze Die Wintersterblichkeit der Kitze schwankt dagegen viel weniger; wer mind. 13 kg auf die Waage bringt kann es schaffen
  • Die Wintertemperatur ist eines der wichtigsten Kriterien für die Überlebenswahrscheinlichkeit
  • Die Anzahl der gesetzten Kitze hängt von zwei Faktoren einmal: Einmal von dem Gewicht der Geiß während der Blattzeit. So lassen zum Beispiel starke Geißen bis zu vier Eizellen befruchten, die dann in der Gebärmutterschleimhaut als kleine Zellhäufchen bis in den Winter schlummern. Schmalgeißen haben daher nur ein Kitz. Im Winter kann die Geiß dann noch einmal entscheiden. So werden in einem strengem Winter in der Regel nicht alle eingenisteten Embryonen weiterentwickelt
  • Alte Geißen haben in der Regel auch weniger Kitze. Alt bedeutet bei einer Geiß, wenn sie über sieben Jahre alt sind
  • Ebenfalls entscheidend: Das Geburtsgewicht der Kitze – Hohes Gewicht = hohe Startchancen ins Leben
  • In den ersten drei Wochen nehmen die Kitze bis zu 150 g pro Tag zu. Die Geiß muss sich die Energie für die dazu notwendige ‚Turbo-Milch‘ aus dem laufenden Betrieb schneiden. Sie ist deshalb darauf angewiesen, dass der Setzzeitpunkt in die Zeit fällt, wo die Natur die höchste Äsungsmenge und -qualität anbietet. Verschiebt sich durch klimatische Änderung der Frühlingsanfang passt das exakte Timing beim Setzen nicht mehr. Qualität und Menge der Äsung zum Setzzeitpunkt sind der entscheidende Schlüssel für die Entwicklung des Rehs. Man nennt das auch den „Silberlöffel-Effekt“

 

Sinkende Rehwildbestände

Körperlich ausgewachsen sind Rehe übrigens mit 4 Jahren, obwohl Geißen schon ab dem dritten Jahr nur noch wenig an Körpergewicht zulegen „Zu spätes“ Setzen in Bezug auf das Frühjahrs Hoch der Vegetation und mehr trockene Sommer können die Überlebenswahrscheinlichkeiten und damit die Zuwachsraten der Geißen um bis zu 40% verringern.

Seit 2009 sind die Rehwildstrecken in weiten Teilen Europas wieder im sinken. Was durch den steigenden Jagddruck in manchen Gebieten derzeit noch verschleiert wird. Stellt sich Frage, warum in so einem Fall der Abschussplan nicht außer Kraft gesetzt wird, oder?

Zivil- und strafrechtliche Folgen für die Landwirte

Weit gefehlt wer glaubt, dass die Justiz dieses grausame Massaker an den Tieren ungeahndet lässt. Nimmt ein Landwirt billigend in Kauf, dass sich noch abgelegte Rehkitze in der Wiese befinden, die beim Mähen zu Tode kommen, so muss er nicht nur mit zivilrechtlichen, sondern auch strafrechtlichen Folgen rechnen.

Eine Anzeige wegen des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz sowie ein Bußgeld sind die Folge. Dazu kommen auch immer häufiger Schadenersatzzahlungen an den Jagdpächter des Gebietes, wenn der Landwirt leichtfertig Rehkitze durch den Erntevorgang getötet hat. Abgesehen davon, dass die kleinen Tierleichen in Siloballen zu gefährlichen Vergiftungen der Kühe führen kann. Todesfälle durch Botulismus kommt immer wieder vor.

 

Kids for Kitz – Kampf dem Mähtod…

…so lautet das Motto einer Initiative, die sich gegen den grausamen Mähtod bei Rehkitzen einsetzt. Doris Völker-Wamser, eine Tierschützerin, die jedes Jahr beobachten musste, wie vor ihrer Haustüre zahlreiche Kitze ausgemäht wurden, kam auf die Idee.

Sie informierte sich über die Möglichkeiten der Kitzrettung und hat es sich zum Ziel gemacht, die Kinder auf das Thema aufmerksam zu machen. Zum Beispiel durch Aufklärungsarbeit in Kindergärten und Schulen, durch das Basteln von bunten Scheuchen im Kunstunterricht, die dann mit den Lehrern den Jägern übergeben werden, damit er sie kurz vor der Mahd ausbringen kann und viele andere Aktionen.

2016 wurde diese Initiative von der Bayerischen Staatsregierung mit dem Tierschutzsonderpres ausgezeichnet.

 

Weitere Informationen zu der Kids for Kitz Initiative findet Ihr unter:

www.action-for-kitz.de

www.jagd-bayern.de/kids_for_kitz.html

www.jagd-bayern.de/fileadmin/_BJV/Jagd_In_Bayern/jib_2015_06/38_JiB_6_15_Kids_for_Kitz.pdf

 

Und am Wochenende folgt noch ein spannender Artikel zur Initiative Kids for Kitz, schaut einfach rein…

 

Text: Lisa
Bildmaterial: Verein Wildes Bayern e.V.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Verwandte Artikel

Erhalte unseren be-outdoor.de Newsletter

Jeden Sonntag neu - Die besten Outdoor-Tipp

Registriere dich für unseren kostenlosen Newsletter und verpasse keine Neuigkeiten mehr. Mit regelmäßigen Gewinnspielen und vielen tollen Outdoor-Tipps.