Egal ob Wanderer, Biker, Kletterer oder einfach Spaziergänger – kaum ein Bergsportbegeisterter hat auf seinen Touren in den Bergen noch kein Murmeltier gesehen oder brennt darauf, die putzigen Tiere einmal aus nächster Nähe zu sehen. Wobei das gar nicht so einfach ist, denn wenn sie Gefahr wittern, dann gibt es einen lauten Warnpfiff und schon sind wieder alle Köpfe in den Erdhügeln verschwunden.
Wo leben die Murmeltiere?
„Wo lebt der große Alpen-Nager eigentlich zwischen Berchtesgaden und dem Allgäu?“ Diese Frage versucht Stephanie Weiler zu klären. Die Studentin absolviert das Masterstudium Wildtierökologie und Wildtiermanagement an der Universität für Bodenkultur in Wien und war schon als kleines Kind zum Wandern in den Bergen unterwegs und von Murmeln begeistert. „Es gibt bis dato keinen Überblick, wo die Murmel genau vorkommen und wo nicht. Mit meiner Masterarbeit möchte ich ein bisschen Licht hinter das Geheimnis der Murmeltiere bringen“.
Wurden die Murmeltiere ausgerottet?
Um das Geheimnis um die „Murmel“ zu lüften, muss erst mal geklärt werden, wo es sie überhaupt gibt und wo nicht. Für BGLand24.de haben wir uns mit der Wildtierbiologin Dr. Christine Miller und der Studentin Stephanie Weiler getroffen. Denn: Wenn sie irgendwo nicht (mehr) vorkommen, dann muss zunächst die Frage geklärt werden: „ Wurden sie dort ausgerottet, oder gab es sie nie?“, so die Wildtierbiologin und begleitende Dozentin Dr. Christine Miller vom Verein „Wildes Bayern“. Zusammen mit der Studentin startete sie daher im Frühsommer 2017 das Projekt in dem seit dem bayernweit auf Murmeltiersuche gegangen wird.
„Es wurden Flyer in Postkartenformat und Poster verteilt, die Internetseite www.murmel.bayern erstellt und Vereine und Zeitschriften zur Unterstützung angeschrieben. Wir haben Postkarten sowie Meldungen über die Internetseite zugesandt bekommen. Eine Postkarte kam sogar von der Insel Olchon im Baikal-See“, so Stephanie Weiler.
Citizen Science – Wer kommt mit auf Murmeltiersuche?
Auch in diesem Sommer wird die Murmeltiersuche fortgesetzt. Unter dem Stichwort „Citizen Science“ werden die Bürger dazu aufgerufen ihre Beobachtungen von Murmeltieren zu melden. So wie bei der „Zählstunde der Gartenvögel“ vom LBV, sollen stattdessen die Murmelbeobachtungen weitergegeben werden.
„Durch Citizen Science“ haben wir bereits viele überraschende Meldungen erhalten. Es hat uns überrascht, wenn Meldungen aus Gebieten kommen, in denen man eigentlich aus topografischen Gründen keine Murmeltiere erwartet. Genauso wie es schon vorgekommen ist, dass wir Meldungen aus Arealen bekommen haben, aus denen wir unzählige Meldungen erwartet hätten, aber bisher kein einziges gesichtet worden ist“, so die Studentin. Die Wildtierbiologin begründet solche überraschenden Ergebnisse: „Die Verbuschung oder Verwaldung von Almwiesen durch Ausbleiben der Beweidung verändert die Pflanzenzusammensetzung, was dazu führen kann, dass die Region für Murmel unattraktiv wird.“
Der Glaube, dass der Klimawandel dafür sorgen könnte, dass sich die Nager großzügig vermehren, ist laut Dr. Miller nicht bestätigt. Eher das Gegenteil könnte der Fall sein, denn: „ Weniger Schnee über den Bauten bedeutet auch weniger Isolation, und die Kälte setzt vielmehr den Tieren zu“, erklärt Miller.
„Wenn dann noch die Spätfröste im Frühjahr dazukommen, kann das zum Tod vieler Murmel führen. Dort, wo Murmeltiere bejagt oder aus anderen Gründen entnommen werden (in Bayern ist die Jagd auf Murmeltiere verboten) kann auch der Abschuss der alten, schweren Männchen das Überleben der Restfamilie im Winter bedrohen. Denn wo die dicken, fetten Alttiere im Bau fehlen um ausreichend Wärme abzugeben, können die Jungen nicht mehr überleben. Das bedeutet, dass die Entnahme der Alttiere einen ganzen Bestand eliminieren kann.“
Schlüsselelement Murmeltier
Murmeltiere sind übrigens wahre Gruppentiere und die Abwanderung eines Einzeltiers in unbesiedeltes Gebiet generiert nicht automatisch neue Bestände. Die putzigen Tiere gelten als „echte Schlüsselelemente im alpinen Ökosystem. Interessant ist auch, inwieweit das Vorkommen von Murmeln den Erfolg von Steinadlerbrut beeinflusst. Denn in Bayern sind alle Horste besetzt, aber es kommen zu wenig Jungvögel durch. Liegt es am Mangel an Beutetieren?“, so wirft Dr. Miller fragend ein.
Murmeltier – geliebt und gehasst?
Kann man ein Murmeltier hassen? „Zumindest nicht unbedingt mögen“, berichtet die Studentin von ihren Feldstudien. „Manche denken, dass Murmeltiere großen Schaden anrichten können, weil sie Hütten oder Wiesen untergraben. Es gibt in der Tat Fälle, in denen Murmeltiere Hütten oder Nebengebäude untergraben haben und wo sie sich auch in der Nähe von bewirtschafteten Hütten aufhalten und auch keine Scheu vor kleinen Hunden haben. Aber in der Regel sind die Tiere eher scheu und meiden den direkten Kontakt mit den Menschen. “, so Stephanie Weiler.
Und noch eine Irrglaube hält sich wacker, so die Studentin. Nämlich dass die Murmeltiere eine Gefahr für die Kühe darstellen: „Während im 18. und 19. Jahrhundert gebrochene Beine durch Murmeltierlöcher eine absolute Ausnahme darstellten, kommt das im 21. Jahrhundert mal vor, auch weil heute keine ausgewiesenen Bergrassen mit „natürlichem Allradantrieb“ aufgetrieben werden, sondern all jene Milch- und Fleischkühe, die sehr viel schwerer sind und sich dann durch ihr Gewicht auf den nicht eingebrochenen Beinen nicht mehr abfangen können. Untersuchungen der Uni Innsbruck zeigen zudem, dass die alten Bergrassen ihre Weiden, die sie gerade abgrasen wollen, nur über Pfade im Gänsemarsch betreten.
Eine Weide, die heute abgegrast wurde, wird morgen nicht betreten. Die Rinder haben sozusagen eine innere Karte im Kopf. Dieses Verhaltensinventar fehlt den Hochleistungsrassen. Die trampeln flächig drauflos – auch im Umgang mit dem Murmeltier prallen eben ganz unterschiedliche Interessen aufeinander. Mir war bei solchen Begegnungen wichtig, den Gesprächspartner ernst zu nehmen und ihm zuzuhören, denn nur dann kennt man die Beweggründe und kann versuchen, den Betroffenen Ängste und den Ärger zu nehmen“, so Stephanie Weiler. Und ergänzt: „Es gibt mittlerweile jede Menge Möglichkeiten die Murmeltiere zu vertreiben, wenn sie wirklich stören. Durch für sie unangenehm riechende Substanzen oder alleine schon die Anwesenheit eines Hundes. Ich möchte mit meiner Studie für eine Koexistenz von Mensch und Murmel werben und hoffe, dass mir weiterhin jede Menge fleißige Melder und Melderinnen helfen werden.
Weitere Informationen über die Murmeltierstudie und den Verein Wildes Bayern e.V. findet Ihr unter www.murmel.bayern und unter wildes-bayern.de