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30. Dezember 2018 | Lesezeit ca. 8 Min.

Schicht im Schacht – Nun ist der Bergbau Geschichte

Nun ist Schicht im Schacht – mit einem Festakt auf dem Gelände der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop wurde kurz vor Weihnachten das Ende des Steinkohlenbergbaus in Deutschland besiegelt. Rund zwei Jahrhunderte waren der Steinkohlenabbau und das Ruhrgebiet eine Einheit. Nun ist Schicht im Schacht. Die Ära des Steinkohlenbergbaus ist beendet.

Ökumenischer Abschiedsgottesdienst im Essener Dom

Auch in Essen wurde dem Bergbau ein letztes Mal gedacht, mit einem großen ökumenischen Abschiedsgottesdienst im Essener Dom, zu dem auch knapp 60 Bergleute der Zeche Prosper-Haniel gekommen waren. Ganz in weiß trugen die Bergleute ein großes Kreuz aus der Krypta in die Kirche. Dazu in rot gekleidet die Grubenretter und die Knappen in schwarz mit ihren wehenden Federbüschen.

Sie alle folgten dem Kreuz mit ihren Grubenlampen, während die Fahnen der Knappenvereine den Altar umrahmten. Nach dem Gottesdienst ging es bei Glockengeläut noch eine Strecke durch die Essener Innenstadt bis zur evangelischen Kreuzeskirche. Mit dabei übrigens auch die „Heilige Babara“, die Schutzpatronin des Bergbaus. Die Figur steht normalerweise in 1.200 Metern Tiefe auf der siebten Sohle von Prosper-Haniel. Für den Abschiedsgottesdienst durfte die Heiligenfigur einen Ausflug nach Essen machen, bevor sie dann wieder für die große Abschiedsfeier am Abend wieder zurück nach Bottrop zurückkehrte.

Zwei Jahrhunderte Bergbau im Ruhrpott

Rund zwei Jahrhunderte gehörte Bergbau im Ruhrgebiet zum Alltag. Ernährte viele Familien und trug ganz wesentlich mit seiner Energie zum Wiederaufbau der Bundesrepublik bei. Der Abschied kam nicht plötzlich, bereits 1959 wehten die ersten schwarzen Fahnen in Duisburg an der Hattinger Zeche Lieselotte und Friedrich Thyssen 4/8 in Duisburg. Dabei war zu der Zeit eigentlich noch der Kohleboom allgegenwärtig. Rund 500.000 Kumpel arbeiteten während der Hochzeiten der Steinkohle unter und über Tage.

Der Bergbau im Ruhrgebiet – Ein paar Zahlen

  • 13. Jahrhundert – Erste Schriftstücke zeugen von einem Kohlefund in Dortmund
  • 1575 – Erste belegbare Kohlenbergbauordnung
  • 16. Jahrhundert – Der Tagebau geht in den sogenannten Stollenabbau über
  • Um 1780 – Die Ruhr wird schiffbar und gilt als wichtige verkehrliche Erschließung zum Rhein
  • 1832 – 1837 – Mit Hilfe der Dampfmaschine gelingt der Durchbruch der Mergelgrenze, dadurch kann die ertragreiche Fettkohle, die zur Koksherstellung benötigt wird, abgebaut werden
  • Um 1840 – Der Bergbau erreicht die Hellwegzone (Duisburg, Essen, Bochum, Dortmund)
  • 1849 – Der erste Kokshochofen produziert Brennstoff für die moderne Stahlproduktion – Die Roheisenproduktion steigt von 1850 bis 1860 von 11.500 t auf 136.300 t
  • 1850/1857 – Die Kohleförderung steigt auf über 3,6 Mio. t
  • 1865 – Der Bergbau erreicht die Emscherzone (Oberhausen, Bottrop, Herne, Castrop)
    um 1873 – Es gibt mehr als 250 Zechen, Förderung steigt auf über 16 Mio. t
  • 1873 bis 1893 – Depression, der Kohlepreis sinkt, es kommt zu Zechenschließungen. Durch Rationalisierungsmaßnahmen wird die Förderung weiter gesteigert (über 38 Mio. t)
  • 1880 – Der Bergbau erreicht den Raum Recklinghausen. Beginn der Gewinnung von Kohlenebenprodukten (z.B. Briketts, Teer)
    Erster Weltkrieg – Das Ruhrgebiet wird zur Waffenschmiede Deutschlands
  • 1919 – Kommunistische Umsturzversuche erschüttern das Ruhrgebiet
  • Von 1921 bis 1925 – Französische Truppen besetzen den Ruhrkohlenbezirk
  • ab 1933 – Das Ruhrgebiet wird während der NS-Zeit vor allem im Bereich der Kohlechemie für Rüstungs- und Kriegswirtschaft unentbehrlich
  • 1948 – Die Alliierten kontrollieren die Verteilung von Kohle und Koks (Ruhrstatut)
  • 1950 – Circa 500.000 Bergleute fördern mehr als 100 Mio. t Kohle, bis 1958 wird die Menge auf 125 Mio. t erhöht
  • 1951 – Die Beneluxstaaten, Frankreich, Italien und Deutschland unterzeichnen den Vertrag der Montanunion. Er sichert den für den Wiederaufbau erforderlichen gleichberechtigten internationalen Absatz der Ruhrkohle
  • 1958 – Mitten in die Expansionsphase und nach Verbesserung der Arbeits- und Einkommensbedingungen bricht die Kohlekrise aus
  • bis 1964 – 31 Großzechen werden geschlossen
  • 1968/69 – Gründung der Ruhrkohle AG (RAG)
  • 1970er Jahre – Großschachtanlagen werden zusammengeschlossen (Verbundbergwerke), die Förderung wird gedrosselt, die Zahl der Bergleute nimmt auf etwa 200.000 drastisch ab
  • Mitte der 1970 Jahre – Intensivierung der Bergbauforschung, besonders Bergbautechnik und Kohleveredelung
  • 1980 – Der Jahrhundertvertrag sichert den Einsatz deutscher Steinkohle in der Kraftwirtschaft
  • Gegen Ende des 20. Jahrhunderts – Die Zechen werden kontinuierlich stillgelegt und die Fördermengen heruntergefahren
  • 1998 – Gründung der Deutschen Steinkohle AG (DSK)
  • 2002 – im Ruhrgebiet sind noch 7 Bergwerke in Betrieb
  • 2002 – Die Subventionszahlungen werden von der EU bis 2010 zugelassen
  • 21.12.2018 – Schließung der letzten aktiven Zeche „Prosper-Haniel“ in Bottrop

Quelle: Regionalkunde Ruhrgebiet

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DIE RUINEN unserer HEIMAT – Die alten Zechensiedlung Gelsenkirchen

Über den Mythos – „Dort fliegen Briketts durch die Luft

Wer – so wie ich – im Ruhrgebiet aufgewachsen ist, der kennt den Spruch und die Fragen nach „fliegenden Briketts“, „schwarzer Wäsche“ und „grauen Wiesen“. War das wirklich so? Nein – zumindest nicht mehr zu meiner Zeit. Im Gegenteil! diverse Schulausflüge in zu damaliger Zeit noch aktive Zechen und unter Tage zu den Kumpels brachten uns eine wirtschaftliche Ära nahe, zu deren Dunstkreis eigentlich ein jeder aus dem Ruhrgebiet gehörte. Sei es als Kumpel oder als Familienangehöriger (ehemaliger) Kumpel.

Für uns Kinder eine Mischung aus Abenteuer, großem Spaß und jeder Menge Wissen über eine Industriekultur, die unsere Kindheit prägte. In der Erinnerung noch immer allgegenwärtig die hart arbeitenden Kumpels unter Tage, die aber trotzdem stets ein offenes Ohr für uns Schulklassen hatten und uns alles erklärten. Unvergessen – eine komplette Schulklasse, die nach dem „Unter-Tage-Ausflug“ zwar frisch geduscht, aber „stolz wie Bolle“ mit dem schwarzen Kohle-Staub, der sich wie ein Kajalstift rund um die Augen niedergelassen hatte bei dem Restaurant mit dem goldenen „M“ einkehrten. Schließlich kamen wir gerade „vonne Schicht unter Tage“.

Ruhrpott NRW - Zeche Ewald zu Füßen der Hoheward

Ruhrpott NRW – Zeche Ewald zu Füßen der Hoheward

Von der Montanindustrie zur Industriekultur

Viel hat sich getan im Ruhrgebiet. Und viel wurde getan für die Kumpel, die sich mit dem Niedergang des Bergbaus einem beruflichen Wechsel entgegensahen. Das schwarze Gold, für das die Kumpel gesorgt haben, sorgte auch bei sehr vielen Menschen im Ruhrgebiet für das tägliche Brot. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, sollte im Ruhrgebiet kein großer „Sozialabsturz ins Bergfreie“ stattfinden.

Dazu der Wandel in eine touristische und kulturelle Nutzung durch den Erhalt der Zechen. Statt planlosem Planieren und Ausradieren dieser großen Geschichte, hat der geschichtsbewusste Umgang unseres Erbes zu einer neuen besuchens- und erhaltenswerten Industriekultur geführt. Einer Industriekultur, die auch unsere Kinder und Kindeskinder berührt, wenn sie aus aller Herren Länder in die Heimat zurückkehren und sich von den Großeltern und ihren Geschichten in eine andere Welt entführen lassen.

Warum eigentlich heißen die Kumpel „Kumpel“?

Ein Kumpel ist ein Freund, jemand auf den man sich verlassen muss. Egal ob in der Schule, beim Sport oder im (Berufs-)Alltag. Nicht anders bei den Kumpels im Schacht. Auch hier musste sich jeder auf den anderen verlassen. Und zwar hunderprozentig. Auf Gedeih und Verderb – im schlimmsten Fall sogar auf Leben und Tod. Und auch egal zwischen welcher Nationalität. Unten im Bergbau und zwischen den Kumpels herrschte eine Solidarität, die ihresgleichen suchte. Halt (wie) zwischen den Kumpels!

Glück auf – der Gruß der Bergleute

„Glück auf“, den Bergmannsgruß kennt fast ein jeder. Aber was bedeutet er überhaupt? Bekannt ist die Bedeutung, dass dieses ein Gruß ist, mit dem man sich gegenseitig Glück wünscht, um nach der Schicht wieder gesund an die Oberfläche auszufahren. Aber es gibt auch noch eine andere Bedeutung. Nämlich: „Ich wünsche Dir Glück, tu einen neuen Gang auf“, hier steht der Wunsch im Vordergrund, dass man sich Glück wünschte, bei der Arbeit einen ausreichenden Ertrag zu finden und zu Tage zu befördern. Entstanden sein soll der Gruß gegen Ende des 16. Jahrhunderts im sächsischen Erzgebirge. Auch in dem Steigerlied der Bergleute wird dieser Gruß verwendet.

Das Steigerlied der Kumpel

Glück auf, Glück auf, der Steiger kommt.
Und er hat sein helles Licht
bei der Nacht
schon angezünd`t.

Schon angezünd`t! Das gibt ein´n Schein,
und damit so fahren wir
bei der Nacht
ins Bergwerk ein.

Ins Bergwerk ein, wo die Bergleut`sein,
die da graben das Silber und das Gold
bei der Nacht
aus Felsgestein.

Der eine gräbt das Silber, der and`re
gräbt das Gold,
doch dem schwarzbraunen Mägdelein,
bei der Nacht,
dem sein sie hold.

Ade, nun ade! Lieb`Schätzelein!
Und da drunten in dem tiefen finst`ren
Schacht, bei der Nacht,
da denk ich dein.

Und kehr ich heim, zur Liebsten mein,
dann erschallet des Bergmanns Gruß
bei der Nacht,
Glück auf, Glück auf!

Wir Bergleut`sein kreuzbrave Leut`,
denn wir tragen das Leder vor dem Arsch
bei der Nacht
und saufen Schnaps und saufen Schnaps!

Schicht im Schacht – und wie geht es nun weiter?

Fakt ist – eine Ära ist vorbei, aber eine andere Ära beginnt. Der Ruhrpott ist nicht nur für den Bergbau bekannt, sondern auch für „Ärmel hochkrempeln und los geht´s“. Mit dem Wandel der alten Zechenarealen in die Denkmale für ein wichtiges Zeugnis von Industriekultur wird unsere Vergangenheit weiterleben. Wir dürfen gespannt sein, was sich noch alles tut – im guten alten Ruhrpott.

Weitere spannende Infos über den Bergbau im Ruhrgebiet findet Ihr unter www.ruhrgebiet-regionalkunde.de

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Die Ruinen unserer Heimat – Gelsenkirchen
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Petra Sobinger
petra.sobinger@be-outdoor.de
Alle Beiträge von Petra Sobinger | Website

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